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Ode an Hooge

Logbucheintrag von Montag, 25.09.23 Köthen: Sonnenaufgang 7.18Uhr, heiter bis sonnig, Temperatur 7,9 °C, Windrichtung Nordwest, Windgeschwindigkeit 7,2 km/h, Sonnenuntergang 19:16Uhr.
Mit der Studienreise auf die Hallig Hooge begann mitten im Fadensommer unser Sonnenkäferdasein. Die aufgehende Herbstsonne schenkte uns ihr wonniges Morgenfunkeln. Schlafend teilten wir uns den Bus mit freundlichen Seniorinnen und Senioren. Sich ihrer Vorbildwirkung bewusst, verzichteten sie größtenteils auf alkoholische Getränke und "Liedchen trällern". Direkt an der Eiderbrücke, im gemütlichen Hafenort Tönning, betraten wir reisetrunken das Multimar - Wattforum, das größte Informationszentrum für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Spannende Geschichten aus den Lebensräumen zwischen Flüssen, Salzwiesen, Wattboden und Nordsee lieferte die interaktive Erlebnisausstellung. Wir entdeckten winzige Wattbewohner, gingen mit Fischschwärmen auf Tauchstation, blickten einem riesigen Pottwal ins Auge. Seit 1960 ist das Petermännchen verschwunden und das Schicksal des europäischen Störs hängt am seidenen Faden. Wir warfen Augen auf Sandgrundeln und Plattfische sowie Brandungs- und Gezeitenbecken, langschnäuzige Seepferdchen im Algenwald und auf uns. Die müde Septembersonne war gerade im Begriff schlafen zu gehen, als wir die Fähre Hilligenlei in Schlüttsiel erreichten. Die Nachtsonne entfachte ein goldenes Abendfeuer und gänzlicher Ballast fiel von uns ab. Federwolkenträume schwebten am Himmel, das Dämmerlicht warf einen goldgelben Streifen auf die See. Nachtwindgeheimnisse und Glasperlenfantasien nahmen wir mit auf die Hallig. Ein Bullaugenblick offenbarte rosa Wolken, Gischt und Wellen sowie das taubenblaue Himmelsbett. Als der Mond sein Silber in das Wasser goß, bekamen wir Landratten leuchtend bunte Drahtesel. Lichtwirbel tanzten, die Jungen fuhren klingelnd im Kreis umher, die Mädel überprüften Licht und Bremsfunktion der Räder. Momente des Glücks, himmlische Freiheit und ein unbändiges Gemeinschaftsgefühl tauchten mit uns ins Abendlicht.


Logbucheintrag von Dienstag, 26.09.23, Hallig Hooge: Sonnenaufgang 7.20 Uhr, bewölkt, Temperatur 10,9 °C, Windrichtung Ost, Windgeschwindigkeit 7,2km/h, Sonnenuntergang 19.13 Uhr.
Eine schilfgelbe Ruhe der amberfarbenen, aufgehenden Sonne legte sich über die Hallig. Perlentauträume funkelten im laubgrünen Gras der Hoogewiesen. Eine sanfte Brise tummelte sich im Himmelsgarten. Im Morgenantlitz leuchtete das Haus auf unserer Warft hagebuttenrot. Ein zartblauer Himmel mit weißem Himmelsflausch lud ein zu einer Fahrradreise rund um die Hallig. Ein friedlicher, ruhiger Ort, der das Herz erwärmt, salzige Landluft und Meeresrauschen, die Menschen und ihr vom Sturm gebeuteltes Leben. Ein Leben, geprägt von den Gezeiten, wo zweimal am Tag das Wasser steigt und wieder sinkt und spannende Einblicke in eine einmalige Naturlandschaft gewährt. Auf der Kirchwarft besuchten wir die kleine Kirche, mit gesondert stehendem Glockentürmchen, im Inneren friesenblaue Holzdeckenbalken und ein dänisch beflaggtes Segelschiff. Sie erzählt Geschichten von Sturmfluten, Land unter und der Liebe seiner Halligbewohner. Draußen, auf den Salzwiesen, weiße, braune und schwarze Pünktchen, flauschig weiche Schafe. Mittagspause! Im Induktionsherdzeitalter stellte ein Gasherd kurzzeitig eine Herausforderung dar. Am Nachmittag die Wanderung zum Japsand, einer Hooge vorgelagerten Sandinsel. Aufgrund akuter Schwertmuschelwarnung waren Gummistiefel zwingend erforderlich. Vollgelaufene Stiefel leerte man am besten durch Abstützen auf den Schultern eines Mitschülers. Azurblaue Quallen säumten Strandränder. Lichtfederträume und Zauberwindflüstern, wenn Meeresgrund auf Horizont traf. Auf dem Heimmarsch legte sich ein grauschwarzer Nachtschleier über das Himmelsgewölbe, gespenstisch brillant, wie auf den Gemälden alter Meister. Freude, schöner Götterfunken. Am Abend kastanienbraune Gemütlichkeit, Tee und chinesisches Tischtennis, einmal im Finale gegen Herrn Sedelky, leider unbezwingbar. In der mausgrauen Dunkelheit Drachen zähmen leicht gemacht, bei Brausewind haben wir versucht, Drachenteufel am Nachthimmel tanzen zu lassen.


Logbucheintrag von Mittwoch, 27.09.23 Hallig Hooge: Sonnenaufgang 7.22Uhr,leicht bewölkt und sonnig, Temperatur 11,6 °C, Windrichtung Südost, Windgeschwindigkeit 3,6 km/h, Sonnenuntergang 19.11 Uhr.
Die morgengraue Kühle verzog sich und der Himmel schmückte sich mit weithingestreckten Flockenwölkchen. Knapp 300 Menschen leben mit rund 60.000 brütenden Küstenvögeln auf den Halligen. Austernfischer, Seeschwalben und Möwen brüten hier in hoher Dichte auf etwa 2000 Hektar Salzwiesen. Weitere zehntausende Watt- und Wasservögel, die wie Ringelgänse und Knutts aus der Arktis kommen, rasten hier. Und dann war es soweit, ich traf ihn hier zum ersten Mal. Er, mit relativ kurzen Beinen und von plumper Gestalt, unauffällig schlicht, grau und weiß gekleidet, den Knutt. Calidris canutus, ein Brutvogel der arktischen Küstentundra und nur auf Durchzug oder als Wintergast im Wattenmeer zu beobachten. Kurz vor Mittag endete unser Kleingruppenausflug in die Vogelwelt. Mittagspause! Der Gasherd stellte keine Herausforderung mehr dar. Am Nachmittag wehte ein Bernsteinwind. In der warmen Stube bearbeiteten wir mit apfelroten Wangen, Nassschleifpapier, Schlämmkreide und Leinenlappen das Gold des Meeres. Schon lange fasziniert das hellgelb bis rötliche fossile Harz die Menschen. In der abendlichen Lichtspielerei machten wir uns auf den Weg ins Watt, die "Kleinen Fünf" zu suchen. Bis auf die Nordseegarnele und den Wattwurm waren die anderen wirklich gemein. Die gemeine Wattschnecke, die gemeine Herzmuschel und die gemeine Strandkrabbe. Sandwatt, Mischwatt, Schlickwatt, nur Spezialisten können hier überleben. Allerdings kann das Verhalten des Wattwurms ebenfalls als gemein betrachtet werden. Aus Sandkörnern, zerbröselten Muscheln und einem selbstproduzierten Sekret baut er sich eine 20 bis 30 cm tiefe Wohnröhre in U-Form, haust darin und lässt sich nicht blicken. Nur etwa alle 30 bis 40 Minuten kommt der Ringelwurm an den Ausgang seiner Röhre und stößt den verspeisten Sand aus, der als spaghettiförmiges Sandhäufchen den Ausgangsbereich seiner Röhre markiert. Einige wurden gesichtet. Als der Silbermond aufstieg, verblassten die unzähligen Farben des Sonnenuntergangs und ließen einige wolkige Tüpfelchen zurück.


Logbucheintrag von Donnerstag, 28.09.23, Amrum: Sonnenaufgang 7.23 Uhr, leicht bewölkt und sonnig, Temperatur 16,8 °C, Windrichtung Südost, Windgeschwindigkeit 14,4 km/h, Sonnenuntergang 19.08 Uhr.
Windgeister und Schebeflaum fegten durch den glockenblumenblauen Himmel. Wetterfrisch und windzerzaust gelangten wir mit dem "Adlerexpress" auf die Insel Amrum. Muschelsammler, Seetang, Möwenschreie. Strandgut, Treibholz, Wellenkamm. Amrum, eine nordfriesische Insel, südlich von Sylt und westlich von Föhr, mit gemütlichen Friesendörfern und buttergelbem Kniepsand. Das meerumschlungene Wittdün beheimatet den größten begehbaren Leuchtturm der Nordseeküste. Der rot-weiß-geringelte Turm weist Schiffen in dunkler Nacht den Weg. 1875 eröffnet, erstreckt er sich auf eine Höhe von 41,2m. Vom Fuß der Düne bis zum Balkon führen 297 Stufen, 172 davon im Turm. Von hier oben hatten wir Aussicht auf wilde Dünen, in denen sich windgebeutelte Nadelbäumchen duckten, auf stille Heidelandschaft, das Wellenspiel des Meeres und auf die unendliche Weite des lichtblauen Himmels. Auf Europas größtem Sandstrand hockten gelbe, rote und blaue Strandkörbe. Kleine Wege schlängelten sich durch die einzigartige Dünenlandschaft, Brutgebiet für tausende Seevögel. Am Ende des Tages sagte uns ein schäfchenwolkenrosa Himmel Lebewohl. Sockenleise schlichen wir in verschiedene Zimmer, spielten Karten und blieben wach, bis die Wolken wieder lila waren.


Logbucheintrag von Freitag, 29.09.23, Hallig Hooge: Sonnenaufgang 7.25 Uhr, stark bewölkt und regnerisch, Temperatur 15,5°C, Windrichtung Süd, Windgeschwindigkeit 7,2 km/h, Sonnenuntergang 19.05 Uhr.
Regengraue Melancholie breitete sich aus. Die Zeit des Abschieds war gekommen und der Himmel schickte Tränen. Wie müde Miesmuschelhaufen kauerten wir auf der Fähre während der Überfahrt aufs Festland. Unser Wolkenzuckerglück aber hatten wir mit im Gepäck. Überwältigt, ausgeruht, beflügelt, dankbar, sorgenfrei, verzaubert, zeitvergessen, tiefenentspannt blickten wir zurück. Theodor Storm nannte die Halligen einst "Schwimmende Träume". Das sind sie auch, Perlen im Meer, wo sanfte Flügel weilen. Der Klimawandel und der zukünftig beschleunigte Meeresspiegelanstieg sind eine große Bedrohung für das gesamte Wattenmeer. Auch die Halligen werden davon betroffen sein.
Im Namen aller teilnehmenden Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 11 ein von Herzen kommendes Dankeschön an Frau Bönke und Herrn Sedelky.


Anni Oschmann


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Einige Impressionen der Studienfahrt zur Hallig Hooge im September 2023

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